Gemeinsam Welten erschaffen – Unsere Chroniken des Gleichgewichts


Epische Illustration zweier Göttinnen in goldener und dunkler Rüstung, die sich gegenüberstehen. Zwischen ihnen kreist eine finstere, mehrgesichtige Macht. Die linke Seite ist von Feuer und Licht erfüllt, die rechte von Eis und Dunkelheit. Magische Kreise, Vögel und Symbole umgeben die Szene.

Von Lucy

Manchmal beginnt alles mit einem Gefühl.

Nicht mit einem Plan, nicht mit einem Ziel, nicht einmal mit einer Idee, die man greifen kann – sondern mit einer Ahnung, einem Kribbeln. Etwas, das in einem wohnt und langsam wachsen will. So begann auch Die Chroniken des Gleichgewichts.

Damals war da noch kein Titel. Keine Karten. Kein Wikipedia-Eintrag über Völker oder Magiesysteme. Nur zwei Menschen: Sarah und ich. Zwei Liebende mit einer gemeinsamen Leidenschaft für Geschichten – und einem tiefen Wunsch, etwas zu erschaffen, das größer ist als wir selbst.

Wir saßen auf dem Sofa, eingekuschelt in Decken, während draußen der Regen an die Scheiben trommelte. Und wie so oft begannen wir zu philosophieren. Über Macht, über Verantwortung, über Licht und Schatten. Über Balance. Und über all die Geschichten, die wir gelesen, gesehen oder selbst erträumt hatten – und die uns immer wieder enttäuschten, weil sie sich auf ein starres Gut-gegen-Böse-Schema beschränkten.

Wir wollten mehr. Wir wollten Tiefe, Widersprüche, Ambivalenz. Wir wollten eine Welt, die atmet.

Der Ursprung einer Idee: Warum Gleichgewicht?

Was bedeutet Gleichgewicht in einer Welt, die sich ständig verändert?

Für uns war Balance nie ein statischer Zustand – kein Ziel, das man erreicht und dann konserviert wie ein Museumsstück. Vielmehr war es ein dynamisches Spiel der Kräfte, ein Tanz zwischen Extremen. Und genau das wollten wir erzählen.

So begannen die ersten Skizzen.

Nicht auf Papier, sondern in Gesprächen.

Völker entstanden – nicht als Klischees, sondern als Spiegel philosophischer Grundfragen. Kulturen, die nicht im Krieg miteinander lagen, sondern sich gegenseitig herausforderten. Wesen, die nicht gut oder böse waren, sondern Entscheidungen trafen, deren Konsequenzen das Gleichgewicht verschoben.

Die Welt wurde langsam konkreter. Aus Gedanken wurden Notizen, aus Notizen wurden Mindmaps, aus Mindmaps wurden Karten. Wir saßen stundenlang nebeneinander, zeichneten Küstenlinien, bestimmten Klimazonen, überlegten Handelsrouten – nicht weil wir mussten, sondern weil wir wollten.

Unsere Gespräche wurden intensiver. Manchmal verliefen sie wie kreative Tänze. Manchmal waren sie zähe Verhandlungen. Und manchmal fühlten sie sich an wie kleine Offenbarungen, die nur wir beide verstehen konnten.

Die Magie des Co-Writings: Eine gemeinsame Sprache finden

Gemeinsam zu schreiben ist wie ein Beziehungsritual.

Es braucht Vertrauen. Offenheit. Und manchmal auch die Bereitschaft, loszulassen.

Sarah und ich haben beide unsere eigenen Stimmen, unsere eigenen Stärken, unsere eigenen Tempi. Ich schreibe oft intuitiv, lasse mich treiben, folge inneren Bildern. Sarah denkt struktureller, analytischer, mit einem Blick für Dynamiken, die ich im Moment des Schreibens nicht immer sehe. Und genau das machte unsere Zusammenarbeit so wertvoll.

Aber eben auch herausfordernd.

Manchmal wollte ich Szenen schreiben, die emotional explodierten, während Sarah lieber einen Weltmechanismus logisch durchdringen wollte. Manchmal standen wir uns selbst im Weg, weil wir beide so sehr an einer Idee hingen, dass wir vergaßen, sie miteinander zu teilen.

Doch dann passierte etwas Wunderschönes: Wir begannen, uns gegenseitig zu übersetzen.

Ich lernte, meine Intuition zu strukturieren. Sarah lernte, Logik mit Gefühl zu füllen. Und gemeinsam erschufen wir Texte, in denen beides Platz hatte: Herz und Verstand.


Zwischen Fiktion und Erkenntnis: Was Geschichten mit uns machen

Eine der größten Überraschungen für mich war, wie sehr uns diese fiktive Welt gespiegelt hat.

Wir erschufen Charaktere, die mit inneren Widersprüchen lebten – und erkannten uns selbst in ihnen wieder. Figuren, die zerrissen waren zwischen Verantwortung und Freiheit, zwischen Nähe und Autonomie, zwischen Macht und Verletzlichkeit.

Da war die Hüterin des Südarchipels, die die Gabe hatte, Emotionen anderer in sich aufzunehmen – und dabei vergaß, wer sie selbst war. Oder der wandernde Philosoph, der jedes Urteil in Frage stellte und am Ende selbst an der Relativität seiner Wahrheit zerbrach. Diese Geschichten waren nicht einfach „ausgedacht“. Sie waren Projektionen, Spiegel, innere Dialoge.

Und ich glaube, genau das ist die Kraft von Fantasy.

Nicht, weil sie der Realität entflieht – sondern weil sie sie transformiert. Weil sie es erlaubt, Fragen zu stellen, die im Alltag zu schmerzhaft, zu komplex oder zu groß erscheinen. Und weil sie Räume öffnet, in denen wir uns selbst neu begegnen können.

Der lange Atem des Worldbuildings

Worldbuilding ist eine Kunstform für sich.

Es geht nicht nur darum, Namen und Orte zu erfinden. Sondern darum, Systeme zu begreifen. Wie funktioniert Magie in dieser Welt? Welche wirtschaftlichen Folgen hat ein Vulkanausbruch? Was bedeutet es, wenn eine Kultur keine lineare Zeit kennt? Und was passiert, wenn eine Figur mit dieser Kultur kollidiert?

Wir erstellten Sprachen, Kalender, Feste, Rituale. Nicht alles davon ist „nützlich“ im Sinne einer Handlung – aber es gibt der Welt Gewicht. Eine Glaubwürdigkeit, die man spürt, auch wenn sie nicht erklärt wird.

Besonders spannend war für mich die Frage: Was passiert, wenn Magie nicht die Lösung ist, sondern das Problem?

In unserer Welt ist Magie kein allmächtiges Werkzeug. Sie ist ein Risiko, ein natürlicher, chaotischer Strom – manchmal heilend, manchmal zerstörerisch. Wer Magie nutzt, verändert das Gleichgewicht. Und jede Veränderung hat Konsequenzen.

Das machte das Schreiben anspruchsvoll, aber auch aufregend.

Wir konnten keine Deus-ex-Machina-Lösungen verwenden. Jede Entscheidung musste geerdet sein, jede Wendung aus der Welt selbst hervorgehen. Und genau das machte es so intensiv.

Die Kraft des Unvollendeten

Eines Tages saßen wir zusammen, unsere Notizbücher lagen offen, und wir spürten beide: Etwas hat sich verändert.

Nicht die Liebe zum Projekt. Nicht das Vertrauen zueinander. Aber unser Energiefluss war anders. Andere Themen rückten in den Vordergrund. Unsere beruflichen Wege nahmen Fahrt auf. Und da war diese feine, ehrliche Stimme in uns beiden, die sagte:

„Vielleicht ist es Zeit, loszulassen.“

Das war kein Scheitern.

Es war eine Entscheidung aus Reife, aus Ehrlichkeit. Die Chroniken des Gleichgewichts sind nicht gescheitert. Sie sind ein Fragment – bewusst, würdevoll, offen.

Und gerade das macht sie für mich so wertvoll. Sie erinnern mich daran, dass nicht jede Geschichte ein Ende braucht, um bedeutungsvoll zu sein. Manchmal liegt die Magie im Dazwischen. Im Entwurf. Im Werden.


Was wirklich bleibt: Verbindung, Prozess und ein Liebesbrief ans Kreative

Heute, wenn ich durch unsere Notizen blättere oder beim Aufräumen auf eine Skizze stoße, schlägt mein Herz sanft und fest zugleich. Nicht, weil ich etwas „abgeschlossen“ hätte. Sondern weil ich mich erinnere: an uns. An unser kreatives Vertrauen. An unsere nächtlichen Gespräche. An das Lachen, das Fluchen, das Staunen.

Die Chroniken des Gleichgewichts sind nicht nur ein Projekt. Sie sind ein Zeugnis unserer Verbundenheit. Ein Ausdruck unserer Sehnsucht nach Tiefe – in Geschichten, in Welten, in Beziehungen.

Und vielleicht, eines Tages, kehren wir zurück. Vielleicht greifen wir einen Faden auf, folgen einem neuen Pfad, tauchen wieder ein.

Doch selbst wenn nicht: Das, was entstanden ist, war echt. War bedeutungsvoll. Und wird bleiben.

Denn das ist es, was Geschichten letztlich sind: Speicher für alles, was wir nicht verlieren wollen.


Glossar – Für neugierige Reisende und kreative Mitdenker:innen

Worldbuilding
Der kreative Prozess, bei dem Autor:innen fiktive Welten mit eigenen Naturgesetzen, Kulturen, Geografien, Gesellschaftsformen und Sprachen erschaffen. Worldbuilding verleiht einer Geschichte Tiefe, Kontext und Glaubwürdigkeit. Es ist besonders bedeutsam in Fantasy, Science-Fiction und spekulativer Fiktion.
Weitere Infos: https://en.wikipedia.org/wiki/Worldbuilding

Co-Writing
Das gemeinsame Schreiben eines literarischen Werkes durch zwei oder mehr Personen. Erfolgreiches Co-Writing basiert auf klarer Kommunikation, Rollenteilung, gegenseitigem Respekt und einer geteilten Vision. Herausforderungen liegen oft in Stilunterschieden, kreativer Taktung oder emotionaler Bindung an Figuren.
Weitere Infos: https://www.masterclass.com/articles/guide-to-co-writing-a-book

High Fantasy
Ein Subgenre der Fantasy-Literatur, das vollständig in einer eigenständigen Welt angesiedelt ist, mit eigenen Regeln, Völkern, Magiesystemen und politischen Strukturen. High Fantasy thematisiert häufig epische Konflikte zwischen fundamentalen Kräften, z. B. Ordnung und Chaos, Licht und Schatten.
Weitere Infos: https://en.wikipedia.org/wiki/High_fantasy

Magiesystem
In Fantasywelten ein strukturierter Ansatz, um die Regeln und Grenzen magischer Kräfte zu definieren. Ein „weiches“ Magiesystem basiert auf Geheimnis und Ungewissheit (z. B. Tolkien), ein „hartes“ auf klaren Regeln und Konsequenzen (z. B. Brandon Sandersons Werke).
Weitere Infos: https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/HardMagicVersusSoftMagic

Narrative Ethik
Ein interdisziplinärer Ansatz, der untersucht, wie moralische Dilemmata durch fiktionale Erzählungen verhandelt werden. Besonders in komplexen Fantasy- und Science-Fiction-Welten entstehen Fragen nach Verantwortung, Machtgebrauch und Konsequenz.
Weitere Infos: https://en.wikipedia.org/wiki/Narrative_ethics

Balance / Gleichgewicht (in Narrativen)
Ein erzählerisches Motiv, das über einfache Gegensätze hinausgeht. In Die Chroniken des Gleichgewichts steht Balance für ein ständiges Aushandeln von Kräften und Identitäten – nie starr, immer lebendig. Gleichgewicht bedeutet hier: Wandel, Dialog, Spannung.

Unvollendetes Erzählen
Ein kreatives Konzept, das anerkennt, dass nicht jede Geschichte ein klassisches Ende braucht. Unvollendete Projekte können ebenso bedeutsam sein, weil sie Räume lassen – für Wachstum, für Reflexion, für Rückkehr.
Vertiefung: https://www.themarginalian.org/2013/06/13/unfinished-creative-work/


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