Symbole haben eine Macht, die weit über Worte hinausgeht. Sie sprechen eine Sprache, die tief in uns wirkt, oft jenseits der rationalen Ebene. Und manchmal braucht es nur ein einfaches Symbol, um eine ganze innere Welt sichtbar zu machen. Für mich ist ein solches Symbol mein Halsband – ein schlichtes Lederband mit einem kleinen O-Ring. Und doch erzählt es eine Geschichte, die tief mit meiner Identität als submissive, trans Frau verwoben ist.
Ich schreibe diesen Beitrag, weil ich selbst lange nach genau solchen Stimmen gesucht habe. Nach Geschichten von Frauen wie mir – trans, queer, selbstbestimmt und zugleich bereit zur Hingabe. Frauen, die sich nicht zwischen Stolz und Submission entscheiden, sondern beides miteinander vereinen.
Ein Halsband ist mehr als Schmuck
Für Außenstehende mag es schlicht wirken – ein Accessoire, vielleicht mit leicht erotischem Touch. Aber in der BDSM-Welt, und besonders in meiner persönlichen Wirklichkeit, steht ein Halsband für weit mehr.
Ein Halsband ist eine Einladung. Eine Entscheidung. Ein Zeichen.
In der Subkultur des BDSM ist es vergleichbar mit einem Ehering. Es kann anzeigen, dass eine submissive Person sich gebunden hat – an eine Herrschaft, an eine Dynamik, oder manchmal, wie in meinem Fall heute, an sich selbst.
Es ist ein sichtbarer Ausdruck von etwas Unsichtbarem:
Vertrauen.
Verantwortung.
Ein tiefes Ja.
Und es ist niemals bloß ein Schmuckstück, das willkürlich getragen wird. Nicht für mich. Nicht in dieser Welt, in der Symbole nicht nur tragen, sondern auch getragen werden wollen.
Meine persönliche Geschichte mit dem Halsband
Ich erinnere mich genau an mein erstes echtes BDSM-Halsband. Es war nicht teuer, nicht kunstvoll. Aber es war verliehen – und das machte den Unterschied. Mein damaliger Dom hatte es mir überreicht nach einer intensiven Phase des Kennenlernens, der Erprobung, der Absprachen. Ich war noch unsicher, neu in der Szene, frisch in meiner Transition, und voller Fragen über mich selbst.
Und doch war es in diesem Moment so klar: Dieses Halsband bedeutete, dass ich gesehen wurde. Nicht als Objekt, sondern als Mensch mit Sehnsucht nach Zugehörigkeit und nach Tiefe. Es war das erste Mal, dass mir jemand sagte – durch eine Geste, nicht durch Worte: „Ich nehme dich ernst. Ich achte dich. Du bist es wert.“
Ich weinte damals. Und ich schämte mich nicht dafür.
Das Halsband als trans Frau: Ein Zeichen doppelter Sichtbarkeit
Als trans Frau habe ich mir meine Sichtbarkeit hart erarbeitet. Ich habe mir mein Frausein nicht „angezogen“, sondern erkämpft, entdeckt, durchlitten, aufgebaut. Es ist ein innerer Weg – einer, der mit Fragen nach Identität, Sicherheit und Selbstachtung verbunden ist. Und auf diesem Weg war das Erleben meiner submissiven Seite nie ein Widerspruch, sondern ein Teil meines Selbstwerdungsprozesses.
Submissivität bedeutet für mich nicht, mich kleinzumachen. Es bedeutet, mich in meiner Tiefe zu zeigen. Mich zu öffnen. Mich freiwillig in eine Dynamik zu begeben, die auf Respekt und Achtsamkeit beruht.
Und gerade als trans Frau, die oft mit Misstrauen oder Fetischisierung konfrontiert ist, war das Erleben einer echten, vertrauensvollen BDSM-Dynamik ein Akt der Selbstheilung. Mein Halsband war – und ist – mein Symbol dafür.
Warum ich heute wieder eines trage – ohne konkrete Herrschaft
Als ich diesen Text ursprünglich schrieb, trug ich kein Halsband. Ich war nicht in einer aktiven Dynamik. Und ich wusste damals: Ich würde niemals eines „nur so“ tragen. Es sollte eine bewusste Entscheidung sein, kein Mode-Statement.
Doch manchmal verändert sich das Leben schneller als wir denken.
Heute trage ich wieder ein Halsband – und doch ist alles anders. Denn ich habe es mir selbst verliehen.

Es steht für meine eigene innere Reise, für meine gewachsene Selbstachtung und für meine wiederentdeckte Bereitschaft, mich nicht zu verstecken. Ich bin eine submissive Frau – ob ich gerade diene oder nicht. Ich bin bereit, mich zu zeigen. Für mich selbst. Nicht für die Blicke anderer.
Ich trage mein Halsband nicht, weil mir jemand die Erlaubnis gibt. Ich trage es, weil ich mir selbst die Erlaubnis gegeben habe.
Ein Symbol für die Beziehung zu mir selbst
Es war ein leiser, aber kraftvoller Moment, als ich das Halsband erneut umlegte – diesmal allein, ohne Zeremonie, ohne Zeugen. Und doch war es ein Akt tiefster Bedeutung. Denn es war ein Versprechen an mich selbst.
Ich verspreche mir, mich nicht kleiner zu machen, um anderen zu gefallen.
Ich verspreche mir, meine submissive Seite nicht zu verstecken, nur weil sie unbequem sein könnte.
Ich verspreche mir, meine Werte, meine Grenzen, meine Wünsche nicht zu verleugnen.
Mein Halsband ist also nicht länger nur Symbol einer äußeren Bindung – es ist Ausdruck einer inneren Haltung. Ich habe gelernt: Hingabe beginnt nicht bei einem Dominus oder einer Domina. Sie beginnt bei mir.
Alltagstauglichkeit und Sichtbarkeit
Natürlich stellt sich dann die praktische Frage: Wie trägt man ein Halsband im Alltag?
Und: Was signalisiert es – bewusst oder unbewusst – den Menschen um einen herum?
Ich habe lange nach einem Modell gesucht, das beides vereint: Dezenz und Bedeutung. Schließlich wurde ich fündig – bei einem schlichten, schwarzen Lederhalsband mit einem kleinen O-Ring. Unaufdringlich. Aber für jene, die es verstehen, spricht es Bände.
Ich trage es 24/7. Beim Einkaufen, beim Yoga, bei der Arbeit. Manchmal fällt es niemandem auf. Manchmal werde ich angesprochen. Und manchmal entstehen dadurch Gespräche, die tiefer gehen als Smalltalk.
Denn in einer Welt, die oft von normativen Vorstellungen geprägt ist, ist ein sichtbares Zeichen von queerer Identität und BDSM-Präsenz ein politisches Statement.
Sichtbarkeit ist Mut – und Schutz
Ich habe gelernt, dass Sichtbarkeit eine Form von Selbstschutz sein kann. Nicht, weil sie mich unverwundbar macht – sondern weil sie mir erlaubt, mein authentisches Selbst zu zeigen. Und das schafft Raum für Begegnung, für Klarheit, für Resonanz.
Natürlich kostet es Mut, als trans Frau offen ein BDSM-Halsband zu tragen. Ich weiß, dass viele Menschen mit Vorurteilen reagieren – auch innerhalb der Community. Doch ich habe gelernt, dass ich mir selbst treu bleiben muss, wenn ich wachsen will.
Ich bin nicht bereit, meine Wahrheit zu verstecken, nur um Erwartungen zu erfüllen, die nicht meine sind.
Das Halsband in polyamoren Dynamiken
Eine Frage, die mir immer wieder begegnet: Bedeutet ein Halsband nicht automatisch Monogamie?
Meine Antwort: Nicht unbedingt.
Ich lebe offen polyamor, das heißt, ich bin bereit für mehrere Bindungen, sofern sie auf Ehrlichkeit, Transparenz und gegenseitigem Respekt basieren. Ein Halsband ist für mich kein Besitzanspruch. Es ist Ausdruck bewusster Wahl.
Eine Herrschaft, die mir ein Halsband verleiht, darf wissen, dass meine Fähigkeit zur Hingabe nicht begrenzt ist – aber meine Loyalität sehr wohl. Ich bin treu – nicht exklusiv, aber integer. Und ich erwarte dasselbe.
Ein Halsband kann auch in polyamoren Beziehungen eine klare, tief verbundene Rolle einnehmen – wenn alle Beteiligten mit Offenheit und Verantwortung agieren.
Die innere Arbeit hinter der äußeren Geste
Viele Menschen unterschätzen, wie viel innere Arbeit es braucht, um ein Halsband wirklich mit Würde zu tragen.
Hingabe ist nicht Selbstaufgabe.
Submission ist nicht Schwäche.
Ein Halsband verlangt Reife, Selbstreflexion und ein tiefes Ja zu sich selbst.
Ich habe Jahre gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen. Ich habe Grenzen überschritten – und neue gezogen. Ich habe mich verloren – und wiedergefunden. Ich habe gehorcht – und gelernt, zu widersprechen.
Heute weiß ich: Nur wer sich selbst kennt, kann sich anderen wirklich schenken.
Ein Halsband ist für mich kein Zeichen der Abhängigkeit. Es ist ein Symbol meiner Freiheit, mich bewusst zu entscheiden.
Kritik, Vorurteile – und die Kraft, sich nicht zu verstecken
Trotz aller Aufklärung, trotz wachsender Sichtbarkeit von BDSM in queeren, feministischen und transinklusiven Kontexten: Das Halsband polarisiert. Selbst in Szenekreisen begegnen mir manchmal skeptische Blicke. Fragen wie:
-
Warum trägst du das so offen?
-
Dient das nicht dem patriarchalen Bild von Unterwerfung?
-
Wieso sollte eine starke Frau ein Zeichen von Submission zeigen?
Diese Fragen kommen nicht immer aus böser Absicht. Oft spiegeln sie tiefe gesellschaftliche Vorstellungen darüber, was es heißt, stark zu sein – oder frei. Aber genau darum schreibe ich diesen Text. Denn meine Stärke zeigt sich nicht in Dominanz. Sondern in meinem Mut, mich in Liebe hinzugeben. Mich zu öffnen. Und meine Sehnsucht nicht zu verstecken.
Für mich ist mein Halsband kein Symbol der Schwäche. Es ist ein Zeichen von Selbstachtung. Es sagt:
„Ich weiß, wer ich bin. Ich weiß, was ich brauche. Und ich stehe dazu.“
Warum ich bewusst auf das richtige Halsband gewartet habe
Es war eine Entscheidung. Keine Laune.
Ich hätte mir früher irgendein Halsband kaufen können – aber das wäre bedeutungslos gewesen. Ich wollte eines, das zu mir spricht. Eines, das mich spiegelt, nicht nur dekoriert. Und ich wusste: Ich bin bereit, zu warten. Auf das richtige Gefühl. Den richtigen Moment.
Heute weiß ich: Ich habe mein Halsband nicht gefunden, sondern verdient. Durch Selbstreflexion, durch Entwicklung, durch Ehrlichkeit. Ich habe es mir nicht „gegönnt“, sondern erarbeitet – nicht durch Leistung, sondern durch Wahrhaftigkeit.
Denn manchmal sind es nicht andere, die uns Zeichen geben müssen. Manchmal dürfen wir sie uns selbst geben. Und wenn ich morgens in den Spiegel blicke und mein Halsband sehe, denke ich nicht an Besitz oder Gehorsam.
Ich denke an Mut.
An Selbstliebe.
An Freiheit.
Fazit: Ein Symbol für mein Leben
Mein Halsband ist kein modisches Statement. Es ist Teil meiner Geschichte. Teil meiner Wahrheit. Es ist der sichtbare Ausdruck einer inneren Entscheidung, die mein Leben geprägt hat – und weiter prägt.
Ich trage es, weil ich mich selbst achte.
Ich trage es, weil ich bereit bin zu dienen – wenn und wann ich das will.
Ich trage es, weil meine Identität als trans, submissive Frau es verdient, sichtbar zu sein.
Vielleicht geht es dir ähnlich. Vielleicht trägst du selbst ein Halsband – innerlich oder äußerlich. Oder vielleicht trägst du noch keines, weil du auf den richtigen Moment wartest. Ich möchte dir sagen: Das ist okay. Du darfst warten. Du darfst fühlen. Du darfst entscheiden.
Denn das schönste Versprechen ist oft das, das wir uns selbst geben.
Mit Liebe, Hingabe und Stolz.
Deine
Sarah
Glossar
Halsband (BDSM):
Ein Symbol in der BDSM-Kultur, das für Hingabe, Vertrauen und Bindung steht. Häufig wird es als Zeichen einer dynamischen Beziehung zwischen einer submissiven und einer dominanten Person getragen, vergleichbar mit einem Ehering. In manchen Fällen wird es auch als Zeichen der Selbstbindung getragen – wie in meinem Fall.
O-Ring:
Ein häufiges Detail an BDSM-Halsbändern, das symbolisch für Offenheit, Verbindung und Zugänglichkeit steht. Ursprünglich industriell geprägt, wurde der Ring im BDSM-Kontext zu einem ästhetischen wie symbolischen Element.
BDSM:
Ein Akronym für Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism. Es beschreibt einvernehmliche Macht- und Rollenspiele, in denen Lust, Kontrolle und Hingabe bewusst ausgehandelt werden. Weitere Informationen gibt es z. B. unter:
https://www.queer-lexikon.net
https://www.fesselblog.de
24/7:
Bezeichnet eine Beziehung oder Dynamik, die nicht nur temporär (z. B. in Sessions), sondern dauerhaft besteht – „24 Stunden, 7 Tage die Woche“. Im Fall eines Halsbandes bedeutet dies, dass es dauerhaft getragen wird.
Submission / submissiv:
Die Rolle oder Haltung, in der eine Person sich freiwillig einer dominanten Person unterordnet – emotional, körperlich oder in bestimmten Lebensbereichen. Wichtig: Submission ist immer einvernehmlich, reflektiert und basiert auf Vertrauen.
Polyamorie:
Beziehungsform, in der mehrere emotionale oder sexuelle Bindungen parallel und transparent gelebt werden. Im BDSM-Kontext kann dies zusätzliche Dynamiken ermöglichen – etwa wenn eine submissive Person mit mehreren dominanten Personen in Beziehung steht (oder umgekehrt).
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