Manchmal beginnt eine Reise nicht mit großen Worten oder lauten Ankündigungen.
Manchmal beginnt sie leise – mit einer Einladung, einer Idee, einem Flackern von Neugier.
So war es auch bei mir.
Ich kam zu Toastmasters, weil ich meine Stimme finden wollte. Oder vielleicht: weil ich lernen wollte, meiner Stimme Raum zu geben. Ich hatte keine klare Vorstellung davon, was mich erwartete. Nur dieses Gefühl, dass es jetzt an der Zeit war, mich zu zeigen. Sichtbarer zu werden. Und vielleicht auch verletzlicher.
Was ich gefunden habe, ging weit über das hinaus, was ich erwartet hatte: eine Gemeinschaft, die mich wachsen ließ. Menschen, die nicht an meiner Perfektion interessiert waren, sondern an meiner Entwicklung. Und einen Rahmen, in dem ich lernen durfte, was Führung tatsächlich bedeutet – jenseits von Hierarchie, Kontrolle oder Machtspielen.
Was bedeutet Führung überhaupt?
Führung. Ein Wort, das in vielen Kontexten verwendet wird, aber selten mit Leben gefüllt wird.
In meinem Umfeld hatte ich lange ein Bild von Führung, das eher abschreckend wirkte: Anzugträger:innen, die PowerPoint-Folien präsentieren, Prozesse managen und von „Effizienzsteigerung“ sprechen. Ich dachte bei „Leadership“ an Kontrolle, nicht an Verbindung. An Durchsetzung, nicht an Zuhören. An Einsamkeit an der Spitze – nicht an gemeinsames Wachsen.
Doch Toastmasters zeigte mir ein anderes Bild: Führung als Beziehung.
Als Einladung.
Als ein stilles Angebot: „Komm, wachse mit uns.“
Leadership hier ist nicht an Titel gebunden. Es beginnt nicht mit „Ich sage dir, was du tun sollst“, sondern mit: „Ich sehe dich. Ich höre dich. Und ich bin da, wenn du mich brauchst.“
Ich musste vieles neu lernen. Zum Beispiel, dass man nicht führen kann, ohne bereit zu sein, selbst geführt zu werden. Dass Zuhören manchmal kraftvoller ist als Reden. Und dass Loslassen oft mutiger ist als Festhalten.
Meine Motivation: Warum ich überhaupt führen wollte
Am Anfang war da nur Neugier.
Könnte ich eine von denen sein, die anderen Mut machen?
Könnte ich ein Umfeld mitgestalten, in dem Menschen sich sicher genug fühlen, ihre Wahrheit auszusprechen?
Rückblickend weiß ich: Meine Motivation kam aus drei Quellen.
🔹 1. Dankbarkeit
Toastmasters hatte mir einen sicheren Raum gegeben. Einen Ort, an dem ich üben durfte, ohne bewertet zu werden. Wo ich Feedback bekam, ohne mich entwertet zu fühlen. Ich wollte etwas zurückgeben. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern aus echter Dankbarkeit.
🔹 2. Wachstumswunsch
Ich spürte tief in mir: Wenn ich lernen wollte, wirklich präsent zu sein – als Mensch, als Rednerin, als Führungspersönlichkeit – dann musste ich auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen. Ich wollte mich nicht nur verbessern, ich wollte reifen.
🔹 3. Verantwortungsgefühl
Gerade in ehrenamtlichen Strukturen wie Toastmasters braucht es Menschen, die nicht nur mitnehmen, sondern auch tragen. Die Räume mitgestalten, die andere mutig betreten können. Ich wollte so ein Mensch sein.
Die Realität: Verantwortung bei Toastmasters
Als ich Area-Direktorin wurde, dachte ich zunächst: „Ich muss steuern, koordinieren, aktiv eingreifen.“
Ein bisschen wie eine Projektmanagerin mit zu wenig Zeit und zu viel Verantwortung.
Aber das war ein Irrtum.
Toastmasters basiert auf einem Prinzip, das so einfach wie herausfordernd ist: Eigenverantwortung.
Jeder Club ist autonom. Jede Entscheidung wird vor Ort getroffen. Die Rolle von Führung ist nicht, diese Prozesse zu kontrollieren – sondern sie zu begleiten. Und genau das war meine Aufgabe: Da sein, wenn ich gebraucht werde. Impulse geben. Vertrauen schenken.
Ich lernte, dass Kontrolle oft nur ein Ausdruck von Unsicherheit ist.
Und dass Vertrauen nicht bedeutet, sich zurückzulehnen – sondern bewusst Raum zu geben.
Motivation führen – ohne zu manipulieren
Motivation ist kein Schalter, den man umlegt.
Sie ist ein zartes Pflänzchen. Und gerade im Ehrenamt ist sie besonders verletzlich. Denn hier ist niemand verpflichtet zu bleiben.
Ich musste lernen, dass Führung im Ehrenamt ein Balanceakt ist:
Wie gebe ich Orientierung, ohne Druck aufzubauen?
Wie erkenne ich Überforderung, bevor sie zur inneren Kündigung wird?
Wie kann ich selbst Vorbild sein, ohne zu überfordern?
Manchmal reichte ein anerkennendes Wort.
Ein ehrliches Danke.
Ein kleiner Anstoß: „Trau dich, übernimm doch mal die Moderation.“
Und manchmal war es genug, einfach da zu sein. Nicht zu retten, sondern zu begleiten.
Herausforderungen: Wenn es schwierig wird
Natürlich war nicht alles einfach.
Ich erlebte Clubs, die mit Mitgliederschwund kämpften. Offizielle Aufgaben, die monatelang unbesetzt blieben. Kommunikationsprobleme, die Vertrauen kosteten. Und ich fragte mich oft:
„Reiche ich aus? Kann ich wirklich etwas bewegen?“
In diesen Momenten habe ich mehr über Führung gelernt als in allen erfolgreichen Phasen zusammen.
Ich lernte:
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Dass nicht jeder Konflikt gelöst werden muss, um einen Schritt weiterzukommen.
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Dass es in Ordnung ist, nicht immer präsent zu sein.
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Dass das Nein-Sagen zur rechten Zeit ein Zeichen von Stärke ist – nicht von Schwäche.
Kleine Siege: Was wirklich zählt
Viele denken bei Führung an große Erfolge:
Teams, die Rekorde brechen. Preise. Auszeichnungen.
Aber die wirklich prägenden Momente in meiner Zeit als Area-Direktorin waren ganz andere:
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Ein Mitglied, das nach Monaten der Stille seine erste Rede hielt.
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Ein Club, der sich trotz aller Hürden neu erfand.
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Ein Vorstandsmitglied, das nach langem Zögern endlich seine Idee vortrug – und strahlte.
Diese Momente waren keine Fußnoten.
Sie waren das Herzstück.
Denn sie zeigten: Wirkung muss nicht laut sein, um tief zu gehen.
Lernen durch Fehler: Was mich wirklich geprägt hat
Ich habe Fehler gemacht. Und ich mache sie immer noch.
Ich habe Aufgaben zu lange aufgeschoben, weil ich unsicher war.
Ich habe Erwartungen falsch eingeschätzt – sowohl meine eigenen als auch die anderer.
Ich habe Entscheidungen getroffen, die nicht den Effekt hatten, den ich mir erhofft hatte.
Früher hätte ich mich dafür geschämt.
Heute weiß ich: Fehler sind unverzichtbar. Sie sind keine Abweichungen vom Weg – sie sind der Weg.
Toastmasters bietet etwas sehr Kostbares: Einen Raum, in dem Scheitern nicht als Versagen gilt, sondern als Einladung zum Lernen.
Ein Redeflop bedeutet nicht, dass ich keine gute Rednerin bin.
Eine verpatzte Clubleitung bedeutet nicht, dass ich keine gute Führungspersönlichkeit bin.
Es bedeutet nur: Ich bin auf dem Weg.
Führung ist kein Amt – sondern eine Haltung
Wenn ich auf meine Toastmasters-Zeit zurückblicke, dann ist da kein einziger Moment, in dem ich gedacht hätte: „Jetzt habe ich alles verstanden.“
Stattdessen ist da ein wachsendes Verständnis davon, was Leadership nicht ist:
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keine Dominanz,
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keine Kontrolle,
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keine glänzende Fassade.
Stattdessen:
Leadership ist Beziehung.
Und Beziehung braucht: Zuhören, Resonanz, Achtsamkeit und Präsenz.
Ich habe gelernt, mich selbst nicht als Mittelpunkt zu begreifen, sondern als Ermöglicherin. Als Impulsgeberin. Als jemand, der Räume schafft, in denen andere wachsen können.
Dieses Verständnis hat auch meinen beruflichen Führungsstil verändert. Ich leite Projekte anders, arbeite anders mit Teams, baue Netzwerke anders auf. Nicht, weil ich ein anderes Handwerkszeug gelernt habe – sondern weil ich mir selbst anders begegne.
Persönliche Anekdote: Der Club, der mich loslassen lehrte
Es gibt einen Moment, der mich bis heute begleitet.
Einer der Clubs, für die ich zuständig war, kämpfte lange mit niedriger Motivation, geringer Mitgliederzahl und wenigen Erfolgserlebnissen. Ich versuchte zu helfen – mit neuen Formaten, motivierenden Worten, durchdachten Impulsen. Doch nichts fruchtete.
Irgendwann war ich müde.
Müde vom Erklären, vom Überreden, vom Anbieten.
Und dann… ließ ich los.
Ich begann, nur noch Fragen zu stellen.
Nicht: „Warum habt ihr das nicht gemacht?“
Sondern: „Was würde euch Freude machen? Was fühlt sich leicht an?“
Es war, als hätte ich einen Schalter umgelegt – nicht bei ihnen, sondern bei mir.
Plötzlich entstand Bewegung. Nicht durch meine Impulse, sondern durch ihr eigenes Erwachen.
Dieser Moment hat mich verändert.
Denn er hat mir gezeigt: Wirkung entsteht oft dort, wo Kontrolle endet.
Begriffsklärung (erweitert): Was heißt eigentlich…?
🔹 Führung
Führung ist nicht bloß das Ausüben von Autorität oder das Tragen eines Titels.
Führung im Toastmasters-Kontext bedeutet:
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Einfühlsame Präsenz
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Verantwortung ohne Kontrolle
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Verzicht auf Selbstdarstellung zugunsten von Wirkung
Führung geschieht oft im Kleinen: Wenn ich einen Neuling einlade, sich auszuprobieren.
Wenn ich eine Frage stelle, statt eine Antwort zu geben.
Wenn ich mich selbst nicht wichtiger nehme als die Entwicklung des anderen.
🔹 Motivation
Motivation ist vielschichtig – und immer persönlich.
Bei Toastmasters begegnet mir Motivation in vielen Facetten:
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Der Wunsch, endlich öffentlich sprechen zu können
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Die Sehnsucht nach Anerkennung oder Selbstwirksamkeit
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Der Impuls, etwas zurückzugeben, was man selbst empfangen hat
Motivation entsteht selten durch äußeren Druck.
Sie gedeiht auf einem Boden aus Vertrauen, Wertschätzung und eigener Sinnhaftigkeit.
Je mehr ich den inneren Antrieb der anderen erkenne, desto besser kann ich begleiten.
🔹 Verantwortung
Verantwortung bedeutet für mich nicht, alles im Griff zu haben.
Es bedeutet, bewusst mit dem umzugehen, was mir anvertraut wurde.
Das können Aufgaben, Rollen oder Menschen sein.
Verantwortung heißt auch, Grenzen zu erkennen – und zu setzen.
Mich selbst ernst zu nehmen, ohne mich über andere zu stellen.
Verantwortung bedeutet nicht: „Ich mache alles.“
Sondern: „Ich übernehme das, was ich tragen kann – und kommuniziere klar, was nicht (mehr) geht.“
Erweiterung: Vielfalt in der Führung
Toastmasters lebt von Diversität.
Und damit meine ich nicht nur die Herkunft oder Sprache – sondern auch:
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Persönlichkeitsstile
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Kommunikationsformen
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Führungsverständnisse
Manche Menschen führen durch klare Struktur und Planung, andere durch emotionale Nähe, wieder andere durch charismatische Präsenz.
Diese Vielfalt ist kein Hindernis – sie ist ein Schatz.
Ich habe gelernt, nicht nur meinen Stil zu kultivieren, sondern andere Führungsstile zu respektieren.
Nicht alles muss so funktionieren wie bei mir.
Und nicht jede Lösung muss sich wie meine anfühlen, um wirksam zu sein.
Führung, die bleibt – weit über Toastmasters hinaus
Die Prinzipien, die ich bei Toastmasters gelernt habe, wirken weit über das Ehrenamt hinaus.
Sie prägen meinen Alltag, meinen Beruf, meine Kommunikation – und nicht zuletzt auch mein Selbstbild.
Früher dachte ich oft: „Ich muss etwas darstellen, um Wirkung zu haben.“
Heute weiß ich: Ich muss etwas ausstrahlen. Und das beginnt nicht bei der Außenwirkung, sondern bei meiner inneren Haltung.
Wenn ich ein Team leite, dann nicht mit dem Ziel, es zu kontrollieren – sondern es zu inspirieren.
Wenn ich Feedback gebe, dann nicht als Korrektur – sondern als Einladung zum Wachstum.
Wenn ich in schwierigen Gesprächen die Ruhe bewahre, dann nicht, weil ich perfekt bin – sondern weil ich gelernt habe, dass echte Präsenz aus Selbstkontakt entsteht.
Toastmasters hat mir beigebracht, nicht lauter zu werden, sondern klarer.
Nicht schneller zu handeln, sondern bewusster.
Nicht mehr zu tun, sondern wesentlicher zu sein.
Der Mut zur leisen Führung
Wir leben in einer Welt, die oft den Lauten folgt.
Diejenigen, die sich Raum nehmen, werden gesehen.
Diejenigen, die vorsichtig abwägen, werden überhört.
Und doch weiß ich heute: Leise Führung ist nicht weniger wertvoll – sie ist oft nachhaltiger.
Leise Führung bedeutet:
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Raum zu geben, statt ihn zu füllen.
-
Fragen zu stellen, statt Antworten vorzugeben.
-
Beziehung zu gestalten, statt Prozesse zu dominieren.
Sie setzt Vertrauen voraus – in sich selbst und in andere.
Und sie basiert auf der Überzeugung, dass Menschen wachsen wollen, wenn man sie lässt.
Mein Fazit: Führung beginnt immer bei mir selbst
Wenn ich alles in einem einzigen Satz zusammenfassen müsste, was ich bei Toastmasters über Leadership gelernt habe, dann wäre es dieser:
Führung beginnt nicht mit einem Titel – sie beginnt mit einer Haltung.
Diese Haltung ist geprägt von:
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Echtem Interesse am Gegenüber
-
Respekt vor der Vielfalt menschlicher Wege
-
Dem Mut, Ungewissheit auszuhalten
-
Und der Demut, nicht alles wissen oder lenken zu müssen
Toastmasters hat mir ein wertvolles Geschenk gemacht:
Die Möglichkeit, Führung neu zu entdecken – und neu zu definieren.
Nicht als etwas, das man „ausübt“, sondern als etwas, das man lebt.
Ich bin zutiefst dankbar für all die Begegnungen, Erfahrungen und Herausforderungen auf diesem Weg.
Und ich bin gespannt, wohin mich diese Haltung noch führen wird – in Projekten, in Beziehungen, im Leben.
✨ Danke, dass du mich auf dieser Reise begleitet hast. Vielleicht spürst auch du jetzt ein kleines Flackern: den Mut, Führung neu zu denken – in deinem Tempo, auf deine Art. 🎀
📘 Glossar: Wichtige Begriffe rund um Leadership bei Toastmasters
Führung (Leadership)
Ein Prozess, bei dem eine Person andere inspiriert, unterstützt und begleitet, um gemeinsame Ziele zu erreichen – ohne ihre Eigenverantwortung zu untergraben.
Führung ist weniger ein „Tun“, sondern ein „Sein“: eine Haltung der Präsenz, Integrität und Beziehungsfähigkeit.
🔗 Weitere Infos:
https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BChrung_(Management)
Motivation
Die innere Energie, die Menschen antreibt, Ziele zu verfolgen oder Aufgaben zu übernehmen.
Besonders stark ist Motivation, wenn sie aus innerer Überzeugung entsteht – und nicht durch äußeren Druck erzeugt wird.
🔗 Vertiefung:
https://www.zeitblueten.com/news/motivation/
Verantwortung
Die bewusste Übernahme von Aufgaben und Konsequenzen – aus eigenem Antrieb, nicht aus Zwang.
Verantwortung bedeutet auch, die eigenen Grenzen zu erkennen und zu kommunizieren.
🔗 Lesenswert:
https://karrierebibel.de/verantwortung/
Fehlerkultur
Der bewusste und konstruktive Umgang mit Fehlern.
Eine gesunde Fehlerkultur erlaubt Scheitern als Teil des Lernprozesses – und fördert psychologische Sicherheit.
🔗 Zum Thema:
https://www.impulse.de/management/fehlerkultur/7491131.html
Ehrenamtliches Leadership
Führung in einem freiwilligen Kontext, oft ohne Hierarchie oder finanzielle Anreize.
Hier zählen Haltung, Vertrauen und Beziehung mehr als formale Macht.
🔗 Kontext Toastmasters:
https://www.toastmasters.org/About/Leadership-Central
Empathie
Die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen, ihre Perspektive zu verstehen und emotional mitzuschwingen – ohne sich selbst zu verlieren.
🔗 Weiterführend:
https://www.palverlag.de/blog/empathie
Leise Führung
Ein Führungsstil, der auf Präsenz, Integrität und Vertrauen basiert – statt auf Kontrolle oder Lautstärke.
Ermöglicht langfristige, nachhaltige Entwicklung im Miteinander.
🔗 Zum Weiterlesen:
https://intrinsify.de/leise-fuehrung/
Toastmasters International
Eine weltweit aktive, gemeinnützige Organisation zur Förderung der Kommunikations- und Führungsfähigkeiten.
Mitglieder lernen durch Praxis, Feedback und freiwillige Rollenverantwortung.
🔗 Offizielle Website:
https://www.toastmasters.org/
🔗 Deutsche Website:
https://www.toastmasters.de/
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🔎 https://www.toastmasters.org/find-a-club