Arbeitszeugnis an mich selbst: Frau Mewes verlässt unser Haus


Selbstbewusste Frau im herbstlichen Waldweg, mit grauem Shirt, kurzem Karorock und schwarzem Choker mit O-Ring.

Manchmal stellt sich im Leben die Frage: Wenn ich mein eigenes Leben als Arbeitsstelle betrachten würde – wie sähe dann mein Arbeitszeugnis aus? Diese absurde, zugegeben leicht übermüdete Idee kam mir eines Nachmittags beim Sortieren alter Unterlagen. Zwischen Rentenbescheid, Transitionspapieren und der letzten Stromabrechnung fiel mir auf: Da fehlt etwas.
Ein Zeugnis. Über mich. Von mir.

Also – Bühne frei für einen augenzwinkernden, liebevollen Rückblick.
Ich, Sarah Mewes, geboren 1970 in Stuttgart, bewerte meine bisherige Laufbahn. Objektiv. Präzise. Natürlich ironisch. Und voller Zuneigung zur Frau, die ich geworden bin.


Über die Position

Position: Leitung Lebensgestaltung, Persönlichkeitsentwicklung & Beziehungsintelligenz
Eintrittsdatum: Ab ca. 1983 (erste intensive innere Bewerbungsphase)
Kündigungsgrund: Strukturwandel des Innenlebens, verbunden mit dem Übergang in eine neue Daseinsform (permanent)
Austrittsdatum: fortlaufend – Exit unmöglich, Ruhestand optional


Aufgabenbereich (ein Auszug)

Frau Mewes war in unserem Hause zuständig für eine Vielzahl komplexer, interdisziplinärer und teilweise hochvolatiler Verantwortungsbereiche. Ihre Hauptaufgaben umfassten:

  • Die kontinuierliche (Wieder-)Erfindung eines authentischen Lebensmodells
    unter Einbeziehung widersprüchlicher gesellschaftlicher, familiärer und biologischer Vorgaben.

  • Die eigenverantwortliche Navigation durch Selbstbildkrisen, emotionale Kollisionen und innere Umbauarbeiten, insbesondere im Kontext ihrer transidenten Entwicklung.

  • Die Integration von Körper, Identität, Sinnlichkeit und Sozialem in eine kohärente Ich-Struktur – inklusive Risikomanagement und Grenzverhandlungen.

  • Die Gestaltung von Liebesbeziehungen, die diesen Namen auch verdienen.
    Einschließlich offener Kommunikation, emotionaler Tiefenschärfe und der wiederholten Fähigkeit zum Loslassen.

  • Die persönliche Präsenz in gesellschaftlichen Räumen, sowohl in der Öffentlichkeit (z. B. Bühne, Panels, Podien) als auch im intimen Gespräch – stets verbunden mit einem feinen Gespür für Kontext, Zielgruppe und Dynamik.


Fachliche Qualifikation

Frau Mewes verfügt über ausgeprägte Kenntnisse in:

  • Identitätsarbeit unter prekären Bedingungen
    – insbesondere bei instabiler Selbstwahrnehmung und mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung.

  • Multidimensionalem Emotionsmanagement
    – inklusive simultaner Trauerverarbeitung, Selbstregulation, Konfliktdiffusion und humorvoller Überhöhung.

  • Sprachanalyse & Metakommunikation
    – mit einem Sinn für den subversiven Witz, die kluge Pointe und das rettende Wort zur rechten Zeit.

  • Langstreckenfähigkeit in der persönlichen Entwicklung
    – keine kurzfristigen Peaks, sondern nachhaltige Transformation durch Selbstwirksamkeit, Hartnäckigkeit und ein tiefes „Trotzdem“.


Persönliche Kompetenzen

Sarah Mewes zeigte in allen Lebenslagen ein hohes Maß an Eigeninitiative, Durchhaltevermögen und Loyalität sich selbst gegenüber – auch dann, wenn äußere Strukturen dies nicht belohnten. Ihre Persönlichkeit zeichnet sich aus durch:

  • Empathie mit Kante:
    Sie hört hin, aber nicht zu. Sie versteht, aber bleibt bei sich.
    Eine seltene Kombination aus emotionaler Intelligenz und Klarheitskraft.

  • Selbstironie mit Tiefgang:
    Frau Mewes scheut nicht davor zurück, über sich selbst zu lachen – auch und gerade in Momenten, in denen andere weinen würden.

  • Verantwortung in Zwischenräumen:
    Besonders hervorzuheben ist ihre Fähigkeit, Verantwortung dort zu übernehmen, wo es keine klaren Zuständigkeiten gibt: In Beziehungen, in Systemen, in Übergängen.

  • Resilienz auf hoher See:
    Ihre Lebensreise glich streckenweise einem Nordatlantikflug im Segelboot. Doch sie baute sich selbst einen Kompass. Und landete immer wieder weich – bei sich.


Besondere Projekte

  • Transition in transidentem Kontext (ab 2019):
    Herausragende Umsetzung eines mehrjährigen Transformationsprozesses mit gleichzeitigem Erhalt von Würde, Intimität, Öffentlichkeit und Lebensfreude.

  • BDSM-Selbsterkundung (ab 2022):
    Mutiger Vorstoß in lustvolle Machtverhältnisse unter Wahrung von Ethik, Kommunikation und Konsens.
    Integration von Sub-Sein, Identität und Körperpolitik mit liebevoller Konsequenz.

  • Community-Arbeit (seit 2023):
    Aufbau nachhaltiger Dialogformate, Mitgestaltung von transkulturellen Begegnungen und einfühlsame Sichtbarkeit als Plus-Size-Transfrau jenseits normativer Erzählungen.


Sozialverhalten

Frau Mewes war bei Kolleginnen, Partnerinnen und Wegbegleiter*innen gleichermaßen geschätzt – nicht trotz, sondern wegen ihrer Klarheit, ihrer Offenheit und ihrer Weigerung, sich klein zu machen.
Ihr Umgang mit Menschen ist geprägt von:

  • echtem Interesse

  • radikaler Ehrlichkeit

  • hoher Kommunikationskunst

  • Integrität auch bei innerer Unsicherheit


Stärkenprofil (Auswahl)

 

Kompetenzbereich Ausprägung
Selbstreflexion ⭐⭐⭐⭐⭐
Konfliktkompetenz ⭐⭐⭐⭐☆
Beziehungsintelligenz ⭐⭐⭐⭐⭐
Humor in schwierigen Lagen ⭐⭐⭐⭐⭐
Körperliche Koordination ⭐⭐☆☆☆ (realistisch)
Geduld mit Behörden ⭐☆☆☆☆ (ausbaufähig)

Abschließende Bewertung

Frau Mewes war in unserem Hause eine unverzichtbare Kraft. Sie war gleichermaßen Steuerfrau, Therapeutin, Clownin, Liebende, Denkerin, Aktivistin, Genießerin, Philosophin – und ganz einfach: Mensch.

Ihr Leben war nie linear – aber immer aufrecht.
Ihre Entscheidungen nicht immer bequem – aber konsequent.
Ihre Stimme nie schrill – aber klar.

Sie verlässt unsere Institution auf eigenen Wunsch, um sich neuen Lebenszyklen zuzuwenden.
Wir danken ihr für ihre Dienste, ihr Lachen, ihr Scheitern, ihr Wiederaufstehen und ihre Schönheit im Unfertigen.

Und wünschen ihr alles, was sie bereits in sich trägt:
Würde. Wärme. Wildheit.


GLOSSAR (humorvoll-seriös)

Lebensgestaltung
Die aktive, bewusste und kreative Auseinandersetzung mit der Frage: Wer will ich eigentlich sein – und warum gerade ich?

Beziehungsintelligenz
Die Fähigkeit, Beziehungen nicht nur zu führen, sondern zu verstehen – inklusive Subtext, Körpersprache, Triggern, Bindungsmustern und dem Mut, nein zu sagen.

Selbstreflexion
Der innere Spiegel mit Zoomfunktion. Erkenntnisarbeit, oft unbequem, aber unverzichtbar.
Mehr dazu: https://de.wikipedia.org/wiki/Selbstreflexion

Körperpolitik
Der gesellschaftliche Blick auf Körper, Normen und Zuschreibungen – und der Versuch, sich darin nicht zu verlieren.
Vertiefend: https://www.bpb.de/gesellschaft/gender/gender-glossar/254404/koerperpolitik/

Transition
Im transidenten Kontext: Der medizinisch, sozial und juristisch begleitete Weg vom zugewiesenen zum gelebten Geschlecht.
Offizielle Infos z. B. hier: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/gesundheitssystem/selbstbestimmungsgesetz.html

Sub-Sein (im BDSM)
Eine einvernehmliche, lustvolle Praxis von Machtabgabe – auf Zeit, mit Regeln, auf Augenhöhe. Nichts mit Unterwerfung zu tun. Alles mit Vertrauen.
Mehr über BDSM: https://www.bsdsm.de


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